Rückblick: Wurde Ulrich Maltrys Antrag auf Betriebsgründung 1987 noch abgeschmettert, fiel der Bescheid zwei Jahre später positiv aus. Und gerade ein Vorschlaghammer sorgte dafür, dass sich sein Netzwerk "in den Westen" erweitern konnte.Spaghetti als Starthilfe
Text: Katja Wolf
Potsdam/Potsdam-Mittelmark: Im zweiten Anlauf hat Ulrich Maltry es geschafft. In einem dicken Ordner hat er alle Dokumente der damaligen Zeit gesammelt, die schließlich zur Gründung seines Handwerksbetriebs in der Reha-Technik führten. „Ich habe damals zwei Jahre lang Lobbyarbeit betrieben, wie man es heute sagen würde“, so der heute 63-Jährige.
Und so hatte er schließlich eine ganze Reihe positiver Stellungnahmen vorliegen, die sein Vorhaben in der damaligen DDR befürworteten. Dazu gehörten auch der Kreisarzt des Gesundheitsamtes, das örtliche Klinikum, der Rollstuhlfahrer-Klub, die Hoffbauer-Stiftung und der Obermeister der regionalen Metallinnung. 1989 erhielt er einen positiven Bescheid vom Rat der Stadt Potsdam. „Das war eigentlich unsere Geburtsstunde. Gewerbeamt, Kammer, das war damals alles nachrangig. Entscheidend war, dass die Versorgung sichergestellt wurde. Und das hat diese Stelle anerkannt“, so Maltry.
Im Keller seines Babelsberger Privathauses startete Maltry noch vor der Wende mit drei Mitarbeitern. Geschäftsmodell: Das Betreiben einer „Spezialschlosserei für technische Hilfen“, für die er als Ingenieur und Schlosser bestens qualifiziert war. Arbeit gab es genug. Ein Pastor der Hoffbauerstiftung, für die Maltry arbeitete, stellte in fünf säuberlich handgeschriebenen Seiten eine Wunschliste mit seinem Bedarf zusammen: rollstuhlgerechte Fahrstühle, Hebebühnen, Fahrzeuganpassungen für Menschen mit Behinderung.
Umsatz jedes Jahr verdoppelt
Einige Monate später, zur Zeit des Mauerfalls, sorgte der Zufall für den richtigen Draht „in den Westen“. Maltry: „Wir waren im Dezember 1989 bei Freunden in Babelsberg und haben einfach mit dem Vorschlaghammer ein Loch in die Mauer zu Steinstücken geschlagen. Herausgekommen sind wir im Garten des Bezirksstadtrats für Gesundheit und Umweltschutz in Zehlendorf. Wir haben mit ihm Spaghetti gegessen und er hat mir den Kontakt zur Firma Ortmaier vermittelt, die in Westberlin Sitzschalen für Rollstühle baute. Wir lieferten später das Untergestell dazu.“
Mit Ortmaier tingelte Maltry die Behindertenwerkstätten in Brandenburg und Westberlin ab und bekam Zugang zu den relevanten Organisationen. „Ein wesentlicher Bestandteil unserer Erfolgsgeschichte war, dass wir sehr frühzeitig Verträge mit den Ortskrankenkassen und den Ersatzkassen schließen konnten“, weiß der Unternehmer, der heute rund 175 Mitarbeiter beschäftigt.
Maltry beteiligte sich schon damals an öffentlichen Auftragsvergaben. Er gewann Ausschreibungen einzelner Kassen und schloss Verträge über die Wartung und Wiederaufbereitung von Rollstühlen in mehreren Bundesländern. Bei einem Sonderhilfsprogramm des Bundes, das die Wartung und Vergabe tausender Rollstühle in den neuen Bundesländern regelte, war Maltry dabei und verteilte die Hilfsmittel auf die einzelnen Werkstätten, Reha-Zentren und versorgte die Patienten mit diesen Hilfsmitteln.
Das Unternehmen wuchs rasant. Machte Maltry 1991 einen Umsatz von einer Million Mark, waren es im Jahr darauf bereits zwei. „Das hat sich anfangs jedes Jahr verdoppelt“, so der Inhaber der heutigen Maltry Rehatechnik GmbH & Co. KG mit Sitz in Potsdam und Neuseddin.
An seinem Standort Neuseddin investierte der Unternehmer in den letzten Jahren acht Millionen Euro. Die neue Werkstatt mit 10.000 Quadratmetern Gewerbefläche ging erst dieses Jahr an den Start. Orthesen, Sitzschalen, Rollstühle – heute stellt Maltry diese Hilfsmittel im Sonderbau her und wartet und repariert sie in seinen Werkstätten. Darüber hinaus handelt der Handwerksbetrieb mit Produkten der Reha-Technik.