Malermeister Jürgen Genz und Familie 20 Jahre nach der Wende
Madleen Wirtz über Malerbetrieb Jürgen Genz
Malermeister Jürgen Genz und Familie 20 Jahre nach der Wende

Rückblick: Mitten in der Wende, im April 1990, übernahm Malermeister Jürgen Genz den kleinen Malerbetrieb seines Vaters. Als junger Unternehmer sah er sich plötzlich mit Themen wie Preiskalkulation konfrontiert. Und er lernte schnell, dass nicht alle Werbesprüche hielten, was sie versprachen."Tiefengrund hilft immer"

Text: Katja Wolf

Prignitz: 2020 ist das Jahr der Jubiläen für den Putlitzer Malerbetrieb. Vor hundert Jahren gründete Richard Genz das Familienunternehmen. Vor 30 Jahren war es an seinem Enkel Jürgen, das Geschäft weiterzuführen. Heute arbeitet und lebt die ganze Familie lebt von den Aufträgen „rund um den Kirchturm“, so Jürgen Genz. Nicht zuletzt deshalb sagt er sich jeden Tag aufs Neue: „Du trägst hier die Verantwortung. Du darfst diesen Betrieb nicht gegen die Wand fahren.“ Das ist ihm gelungen. Die Geschäfte laufen gut. Nun steht die nächste Generation in den Startlöchern: Einer der Söhne lernt bei ihm. Nach Umwegen hat er sich entschlossen, das Geschäft irgendwann zu übernehmen.
Der Start in die neue Zeit war damals von Höhen und Tiefen geprägt. Eine der ersten Arbeiten als Betriebsinhaber führte den jungen Malermeister direkt in die Nachbarschaft. Es galt, ein Treppenhaus zu renovieren: endlich mit neuen Materialien ‚aus dem Westen‘. „Der erste Vertreter, der bei mir klingelte, sagte mir: Wenn es gut werden soll, Tiefengrund geht immer. Also behandelte ich das Treppenhaus der Kundin mit Tiefengrund vor, danach haben wir die Wand gespachtelt und tapeziert“, erinnert sich Genz. Einige Tage später bat ihn die zerknirschte Kundin in ihr Haus. Die Tapeten wellten sich, die Spachtelmasse lief herunter. Die Arbeit war bildlich gesprochen im Eimer. Denn was Jürgen Genz damals nicht wusste: Tiefengrund hilft nicht immer. Und Vertreter erzählen durchaus nicht immer die Wahrheit. „Ich kannte das Material nicht, das gab es zu DDR-Zeiten nicht. Ich war mir sicher, der Vertreter weiß Bescheid“, so der Maler. Heute lacht er über diesen Patzer. Die Kundin rief ihn kürzlich an, er soll ihre Fenster neu streichen…

Heute der einzige Malerbetrieb

Andere Entscheidungen erwiesen sich damals als durchaus richtig. Dazu gehörte die Ausbildung seines Gesellen Mike. Er gehört noch heute zum Betrieb, auf Mike lässt der Chef nichts kommen. „Er redet nicht viel, aber ist super zuverlässig. Wenn ich Mike zum Kunden schicke, dann weiß ich, die Kunden sind zufrieden.“
Gab es zu DDR-Zeiten noch mehrere Malerbetriebe in Putlitz, ist er heute der Einzige. Vor der Wende plante der Staat, wer wann was macht. „Immer am Anfang des Jahres trafen sich mein Vater und die anderen Handwerker im Rathaus, um den ‚Fünfjahresplan‘ zu besprechen. Die Arbeiten für das Jahr wurden verteilt und die Preise festgelegt. Der Quadratmeter Gipsen wurde mit 14 Pfennig abgerechnet“, erzählt Genz lachend. Solche Preise waren nach dem Fall der Mauer nicht mehr drin, viel zu oft habe er seine Arbeiten zu günstig angeboten.
Mit bis zu acht Mitarbeitern arbeitete der Malerbetrieb nach der Wende, unter anderem für einen Professor aus München, der in Berlin Pankow eine Augenklinik in einem alten Schloss aufbaute. Über mehrere Monate arbeitete Genz hier und lernte dabei auch, wie man anspruchsvolle Kunden betreut. „ Da konnte man nicht so flachsig daherkommen wie bei uns auf dem Dorf“, weiß er.
Nach der Jahrtausendwende herrschte Flaute. Genz verkleinerte seine Mannschaft, aber ans Aufgeben dachte er nicht. Heute läuft der kleine Betrieb ganz in Familienhand – und mit Mike natürlich.

Dieses Unternehmensportrait erschien in der Ausgabe 10/2020 des Handwerksblattes der Handwerkskammer Potsdam im Rahmen der redaktionellen Serie "30 Jahre Einheit"