Die Hauptstadtregion wächst - für die Betriebe bringt das nicht nur Vorteile "Vorstand vor Ort" im Havelland
Der Präsident der Handwerkskammer Potsdam, Robert Wüst, sowie die Vorstandsmitglieder Birgit Behr und Brita Meißner besuchten gemeinsam mit der Geschäftsführung der Kammer am 11. Februar Handwerker und erkundigten sich, wo der Schuh drückt.
Tobias Günnel braucht mehr Platz. In den nächsten Jahren will er raus aus seiner kleinen Werkstatt in Groß Behnitz, die vier Hebebühnen auf 90 Quadratmetern bietet. Soll ein Auto der hinteren Bühne aus der Werkstatt fahren, muss erst der vordere Wagen raus, um den Weg frei zu machen. Die Kunden drängen, Arbeit ist da und die kleine Mannschaft aus fünf Leuten und zwei Lehrlingen will effizient arbeiten. Doch so einfach ist die Sache nicht: Auch hier im Havelland, nahe Nauen, wird Bauplatz knapper und die Preise steigen. „Kostete der Quadratmeter Bauland in der Region noch vor wenigen Jahren 30 Euro, liegen wir jetzt bei 100 bis 150 Euro. Inklusive aller Nebenkosten müsste ich rund eine halbe Million in das Grundstück investieren. Ich habe bisher noch nichts gefunden, was unter diesen Umständen passend und finanzierbar ist“, so Kraftfahrzeugtechniker-Meister Günnel.
Bei den Betrieben im Havelland ist Wachstum angesagt. Im Landkreis entstehen neue Wohngebiete, die Kindergärten rundum sind belegt, neue Kunden gesellen sich zur Stammkundschaft. Das ist gut, denn der Zuzug bringt auch neue potentielle Mitarbeiter mit sich, welche die Betriebe hier dringend brauchen. Auf der anderen Seite wird der Platz für Gewerbe knapper und teurer. Herausforderungen für die Betriebe sind neben der Fachkräftesuche die bürokratischen Anforderungen.
Keramikerin Nicole Willmann, die auf Märkten deutschlandweit unterwegs ist, bereitet die neue Bonpflicht Kopfzerbrechen. Bei G & P Metall ist die Gewährung des Tankzuschusses für die Mitarbeiter aufwändiger geworden. Bisher konnte er gegen Nachweis mit dem Lohn ausgezahlt werden. Aufgrund einer neuen Regelung muss der Betrieb jetzt Tankgutscheine kaufen – ein unnötiger Mehraufwand. Olaf Bubath, Geschäftsführer des Baubetriebs Die Zwei Bausanierungen, hat kein Verständnis für die unterschiedlichen Tarifentgelte, die in Berlin und Brandenburg gelten. Beide Länder sollten hier enger zusammenarbeiten, so seine Meinung. Er zahlt seinen Mitarbeitern generell den höheren Tarif, schon, um seine Leute im Betrieb zu halten. Bei öffentlichen Aufträgen in Brandenburg, wo der niedrigere Tarif gilt, nimmt er im Zweifel Wettbewerbsnachteile in Kauf.
Fachkräfte zu halten: Das ist eines der wichtigsten Themen in den besuchten Betrieben. Die Gottschalk Baudenkmalpflege setzt auf besonders flexible Arbeitszeiten. Hans-Jörg Berndt, Geschäftsführer der Industrie Service Elektro GmbH in Rathenow, hält seine Leute mit Vergünstigungen wie Dienstwagen, Laptops und Handy, einer überdurchschnittlichen Vergütung von Fahrtzeiten oder der Finanzierung der Meisterausbildung. 80 Prozent seiner Leute hat er selbst ausgebildet. Wie einige der besuchten Betriebe setzt er auch auf Fachkräfte aus dem Ausland oder Geflüchtete, um seine Mannschaft komplett zu halten. Doch auch hier stehen die Betriebe vor Hürden. So können die Handwerker geeignete geflüchtete Bewerber zum Teil nicht einstellen, da diese noch keine Aufenthaltserlaubnis haben – oder einfach nicht die Erlaubnis, ihren zugeteilten Aufenthaltsort zu verlassen.
„In solchen Fällen unterstützen wir und machen uns gemeinsam mit den Handwerkern stark gegenüber der Politik“, so Robert Wüst, Präsident der Handwerkskammer Potsdam. Im Rahmen des Auswertungsgesprächs mit Innungsvertretern der Kreishandwerkerschaft Havelland motivierte er die Betriebe, die Angebote der Handwerkskammer zu nutzen und bei solch speziellen Problemen auf die Kammer zuzukommen.
Die Handwerkskammer Potsdam besuchte folgende Betriebe:
- Die Zwei Bausanierungen GmbH, Falkensee
- Metallbauerin Sabrina Kreiß, Wustermark
- G&P Metallbau GmbH, Groß Behnitz
- Gottschalk Baudenkmalpflege GmbH, Friesack
- Nicole Willmann Keramik, Friesack
- Agrargenossenschaft Gülpe eG, Havelaue
- ISE Industrie Service Elektro GmbH, Rathenow
- Kraftfahrzeugtechniker-Meister Tobias Günnel, Groß Behnitz
Mit den Betriebsbesuchen setzt die Handwerkskammer Potsdam die seit 1997 stattfindenden traditionellen Vor-Ort-Gespräche bei Mitgliedsbetrieben fort. Neben der aktuellen Wirtschaftslage geht es in den Gesprächen auch um die Geschäftsstrategie der Handwerker, um Fragen der Digitalisierung oder die Ausbildungs- und Fachkräftesituation.