Rückblick: Nach der Wende sind viele Ostdeutsche in "den Westen" gezogen. Einer, der es umgekehrt gemacht hat, ist Jochen Schröder. Der Kälteanlagenbauer-Meister führt seinen Betrieb noch heute in Brandenburg/Havel.Mit dem Telefon auf dem Berg
Text: Katja Wolf
Brandenburg/Havel: Als Jochen Schröder damals nach Brandenburg kam, startete er im Mai 1991 „auf der grünen Wiese“. Für ihn ist heute klar: Auch im Westen kam das Wirtschaftssystem vor der Wende an seine Grenzen. Von der Einheit profitierten beide Seiten. „Ich wollte das hier mit aufbauen“, sagt er. Aufgewachsen ist Schröder in Hannover. Später hat er seine Meisterausbildung in München absolviert. Dass der damals frisch gebackene Meister in Brandenburg landete, verdankt er seinem Onkel. "Er hatte damals einen Handwerksbetrieb und wollte gern in Ostdeutschland einen Standort aufbauen. Der Bedarf war ja groß."
Auf welche Herausforderungen er in der märkischen Weite stieß, überraschte ihn dann doch. „Ich hatte zwei Anhänger, die ich für den Betrieb nutzen wollte. Pünktlich früh um sechs fuhr ich nach Brandenburg zur Zulassungsstelle. Da stand schon eine Schlange von 100 Wartenden vor mir. Ich verbrachte dort mindestens einen halben Tag, das wäre als Unternehmer im Westen undenkbar gewesen“, erinnert er sich.
Selbst die Straßenbeleuchtung habe gefehlt. Und dann die Sache mit dem Telefon. Den Festnetz-Anschluss wolle er doch gar nicht mehr, hieß es damals, als er zum x-ten Mal bei der Telekom vorsprach. Der Handwerker behalf sich mit einem Funktelefon. „Damit hätten Sie jemand erschlagen können“, erinnert er sich lachend. Stöhnen die Brandenburger noch heute über schlechten Empfang, war es 1990 weitaus dramatischer. „Ich musste auf den Berg bei Kirchmöser steigen, damit die Verbindung nicht gleich wieder zusammenbrach“, erinnert er sich.
Seine Kunden fand er damals in vielen kleinen Gewerbetreibenden, die er zu seinen selbst organisierten „Hausmessen“ einlud und moderne Kühlzellen vorstellte. Fleischer, Bäcker, Konsum, alle brauchten neue Kühlanlagen. „Ich habe Betriebe gesehen, die sich ein Kühlhaus einrichteten und den Laden trotzdem drei, vier Jahre später dichtmachten“, so Schröder. Dass das kleinteilige Gewerbe im Laufe der Jahre überwiegend verschwunden ist und Supermarktketten Platz machen musste, sei aber kein spezifisch ostdeutsches Problem. „Das gab es in den alten Bundesländern genauso“, weiß der gebürtige Nordrhein-Westfale. Es habe seine Kunden nach der Wende sehr viel Fleiß, Mut und Geld gekostet, ihre Geschäfte zu modernisieren und zu überleben.
Auch Mitarbeiter fand der Handwerker im Umfeld. Das Stahlwerk in Brandenburg, das nach der Wende geschlossen wurde, beschäftigte schon damals eine bestens qualifizierte „Klimatruppe“. „Die bauten das Unternehmen gemeinsam mit mir auf. Das heißt auch, dass sie ihre Familien kaum sahen. Wir haben ja 15, 16 Uhr oft erst so richtig durchgestartet“, erinnert sich der Handwerksmeister an die große Motivation der Leute. Mehr als zehn Lehrlinge hat der Betrieb, der heute aus sieben Leuten besteht, inzwischen ausgebildet.
Baute die heutige Schröder Kältetechnik GmbH in den 90ern fast ausschließlich Kühlanlagen, fragen die Brandenburger heute Klimatechnik nach. Ärzte, Geschäftsinhaber, Privatleute – alle wollten klimatisierte Räume. In einem Forschungsinstitut habe Schröder letztens Klimaanlagen eingebaut, deren Abwärme komplett für die Heizung der Büros genutzt wird. „Das läuft über unsere Klimatechnik, ohne fossile Brennstoffe“, wirbt er.
Nach Hannover zurückgehen, das kann sich Schröder heute nicht mehr vorstellen. „Das ist alles so verbaut, fast erdrückend. Da haben wir hier viel mehr Platz“, sagt er zufrieden.