Vorstand vor Ort HavellandMehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede
Seit über 20 Jahren besuchen Vorstandsmitglieder mit der Geschäftsführung der Handwerkskammer Mitgliedsbetreibe im gesamten Kammerbezirk. Diesmal führte die Tour ins Havelland. Im Landkreis arbeiten insgesamt 2327 Handwerksbetriebe, davon 1455 zulassungspflichtige, 628 zulassungsfreie und 244 handwerksähnliche Gewerke.
„Wenn wir nicht mit einer Stimme sprechen, hört uns keiner“, sagt Glasermeister Michael Wolter beim Besuch von Kammerpräsident Wüst und gibt sich kämpferisch. In Retzow, arbeitet Michael Wolter in der dritten Generation. Der Einzelkämpfer ist zufrieden mit der Auftragslage. Reparaturen seien dabei der größte Teil seiner Arbeit. Sorgen mache er sich um die Zukunft des Handwerks. „Der Nachwuchs fehlt überall. Waren in Ende der 90er Jahre noch zwei Klassen voller Azubis im Glaserhandwerk in Brandenburg, sind es heute noch acht Lehrlinge – über alle drei Lehrjahre hinweg“, macht er sich Gedanken. Auch deshalb ist er jüngst mit zur Demo der Landwirte gefahren. „Dort wurde nicht gebrüllt – wir haben heiß diskutiert mit Landtagsabgeordneten aus der Region“, berichtet er. Dabei legt Wolter großen Wert darauf, die Gemeinsamkeiten im Handwerk herauszustellen. Hier hat er so seine Erfahrungen im Ehrenamt gesammelt, denn er ist auch seit einigen Jahren Bundesinnungsmeister des Glaserhandwerks. Für die Bundesinnung hat er sich vorgenommen, längst ausgestiegene Vertreter wieder mit an Bord zu holen und seine Kollegen zu einen. Es bringe nichts, immer nur zu streiten, das koste Kraft, die alle dringend für ihre täglichen Aufgaben bräuchten.
Um faire Löhne und die sich daraus ergebende Preissteigerung sprach Friseurmeisterin Marie-Christin Beckmann mit Vorstandsmitglied Birgit Behr und Hauptgeschäftsführer Ralph Bührig beim Besuch. Im Institut Beckmann in Falkensee arbeitet ein Mutter-Tochter-Team. Marie-Christin Beckmann führt das Geschäft mit Mutter Marion, Kosmetik-Meisterin. Sechs Angestellte kümmern sich um die Kundschaft, die dem Team seit mehr als drei Jahrzehnten die Treue hält.
Mit großem Engagement arbeitet man auch bei einem der großen Player im Havelland, der Dührkopp Energieanlagenbau GmbH. Der Familienbetrieb aus Premnitz installiert in ganz Deutschland und international Heizanlagen, Blockheizkraftwerke, Biogas- und Klimaanlagen. Jedes Jahr werden mehrere junge Leute ausgebildet. Auch hier wird bei konkreten Fragen zur Betriebsübergabe an die nächste Generation die Unterstützung der Handwerkskammer gebraucht.
Der Baubetrieb Irving Börner in Pessin ist seit 30 Jahren im Havelland tätig. Gemeinsam mit seiner Frau Catrin und acht Mitarbeitern ist der Meisterbetrieb vor allem in der unmittelbaren Nachbarschaft tätig. Wie schwierig die Zeiten gerade im Baugewerbe sind, macht Irving Börner dem Präsidenten bei seinem Besuch deutlich. Von Schwarzarbeit, bürokratischen Hürden und fehlenden Lehrlingen reicht die Spannweite der Probleme. „Es macht keinen Spaß mehr“, sagt Börner. Gleichwohl, auch das bestätigt der Handwerksmeister, seien die Auftragsbücher immer noch voll. Wenngleich das Neubaugeschäft nahezu zum Erliegen gekommen sei.
Beim Auswertungsgespräch mit seinen Vorstandskollegen Birgit Behr und Karsten Kirchhoff in der Kreishandwerkerschaft Havelland verweist Robert Wüst auf die aktuelle Lage des Handwerks. „Unsere Betriebe zeigen jedoch, was es heißt, in der Krise zusammen zu stehen“, resümiert er zusammen mit Kreishandwerksmeister Michael Ziesecke.
Der Vorstand der Handwerkskammer besuchte folgende Betriebe:
- Glasermeister Michael Wolter, Retzow
- Baubetrieb Irving Börner, Pessin
- Kfz-Werkstatt Götsche, Nauen/OT Berge
- Hörgeräte Meissner, Schönwalde-Glien
- Kosmetik & Friseur GmbH Beckmann, Falkensee
- Truck Stop Braatz, Nauen
- Dührkopp Energieanlagenbau GmbH, Premnitz
- Boots- und Autosattlerei Keiper, Rathenow
- BLT Brandenburger Landtechnik GmbH, Niederlassung Nauen