Julius, Antje, Philipp, Jonas und Olaf Thonke heute (v.l.n.r.)
Bäckerei Thonke
Julius, Antje, Philipp, Jonas und Olaf Thonke heute (v.l.n.r.)

Rückblick: Für 27.000 Ostmark kaufte Bäckermeister Olaf Thonke kurz vor der Wende einen neuen Starkstromofen. Gut zwei Jahre später schmiss er ihn wieder aus der Backstube. Denn die günstigen Preise für Energie waren zu dieser Zeit längst passé. Berufswunsch Bestimmer

Text: Katja Wolf

Prignitz: Schon mit vier Jahren wusste Olaf Thonke, was er mal werden wollte. „Bestimmer“, eröffnete er seinem Vater, der damals hoffte, sein Sohn trete nicht in seine Fußstapfen. Grund war die schwere körperliche Arbeit. Auch ging es anderen
Gewerken besser, etwa dem Kfz-Gewerbe. Da sei man beliebt bei den Kunden, und lukrativer sei es auch, so der Vater.
Es kam dann aber doch alles anders. Denn in der zehnten Klasse hatte sich der Berufswunsch des jungen Olaf verfestigt.
Zwar nicht mehr Bestimmer, aber selbstständig wollte er sein. Und die Bäckerei seines Vaters zu übernehmen, war in der
DDR der beste Weg, dieses Ziel zu erreichen.

Zum Tag der Republik, am 7. Oktober 1988, erhielt er im „Alten Rathaus“ von der Handwerkskammer Potsdam seinen Meisterbrief. „Das war damals eine typische Schauspiel-Veranstaltung. Jeder wusste, dass die Wirtschaft am Boden lag“, erinnert sich der Bäckermeister. Als Schabowski gut ein Jahr später verkündet, die Mauer sei offen, saß Olaf Thonke auf dem Sofa und sah die „Aktuelle Kamera“. „Ich hatte gerade den Sauerteig vorbereitet. Am nächsten Morgen bin ich wieder in die Backstube und hörte im Radio vom Mauerfall. Das war einer der unkonzentriertesten Arbeitstage meines Lebens, denn ich konnte ja nicht weg.“

Etwas eher als regulär schlossen er und seine Verkäuferinnen den Laden dann ab, es kam eigentlich sowieso niemand. Thonke machte sich wie alle anderen auf in Richtung Kudamm. „Noch Jahre später habe ich in meinem Trabi Konfetti von diesem Tag gefunden. Es war so, wie man es aus dem Fernsehen kennt. Eine unglaubliche Stimmung, alle klopften mir auf’s Dach. Auf dem Kudamm hat es an diesem Tag sicher mehr nach Zwei-Takter gestunken als jemals im Osten“, lacht er.

Die letzten „Knüppel“ für sieben Pfennig

Mit der Währungsunion 1990 herrschte  plötzlich Leere in der Bäckerei Thonke. Die subventionierten Einheitspreise waren
Geschichte. Noch in den Tagen zuvor standen die Kunden Schlange, um die letzten Knüppel ihres Lebens für sieben Pfennige zu kaufen. Jetzt muss etwas passieren, wusste der Unternehmer. „Also bin ich los und habe Klinken geputzt, im Krankenhaus und im Altenheim. Wir hatten ja einen guten Ruf, und ich konnte Verträge abschließen. Das
bedeutete auch, dass wir jeden Tag liefern mussten. Da war mir klar, das Unternehmen muss wachsen. Seitdem hatten wir keinen einzigen Tag mehr geschlossen.“

Gingen die meisten der ehemals 15 Bäckereien in Rathenow in die Insolvenz oder schlossen, wuchs die 1926 gegründete Bäckerei kontinuierlich. Heute betreibt der Familienbetrieb knapp 60 Filialen. Zwei seiner drei Söhne arbeiten heute mit
im Unternehmen. Der dritte macht nach dem Abitur eine Ausbildung und will studieren. „Mal sehen, vielleicht bekomme
ich den auch noch in die Selbstständigkeit“, sinniert der Vater, der eben schon immer gern Bestimmer werden wollte

Dieses Unternehmensportrait erschien in der Ausgabe 7/8/2020 des Handwerksblattes der Handwerkskammer Potsdam im Rahmen der redaktionellen Serie "30 Jahre Einheit"